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    Q: Sie sind einst, im Alter von 20 Jahren, 
      mit glühender Begeisterung Soldat geworden, 
      sagen Sie. Was hatten Sie sich von 
      Ihrer Grundausbildung erwartet? 
      A: Diese Frage lässt sich am besten mit den 
        Worten eines anderen beantworten – ich 
        zitiere sinngemäß Steve McQueen aus Die 
        glorreichen Sieben: „Ich kannte mal einen, der
        zog sich splitternackt aus und sprang in einen
        Kaktus. Na, ich habe ihn natürlich gefragt, 
        warum er das gemacht hat. Da sagt er zu mir:
        Vorher erschien es mir als die beste Idee der 
      Welt.“ Klar soweit? 
      Q: Und wie war dann die Realität? Haben 
        Sie Ihre Zeit beim Bund als schrittweise Desillusionierung empfunden – oder gab
        es ein, zwei einschneidende Erlebnisse, die
        Ihnen gezeigt haben, dass Sie doch nicht in
        einem coolen Abenteuercamp mit anderen
      netten Jungs gelandet sind? 
      A: Die Desillusionierung fand innerhalb
        von drei Minuten statt, und dieses Niveau
        an „Aufklärungsarbeit“ hielt sich erfolgreich
        bis zum Ende meiner Dienstzeit. Aber die
        „anderen Jungs“ waren wirklich nett. Wenn
        man zusammen in der Scheiße steckt,
        bewirft man sich schließlich nicht noch
        gegenseitig damit. Doch diese vielbeschworene
        „Kameradschaft“ ist natürlich aus der
        Not geboren; sich gegen den Unsinn und
        den Druck zu wehren, schweißt zusammen
        – diese Abwehrmaßnahme als Tugend zu
        verkaufen, nun, da sind wir wieder bei der
      Scheiße. 
      Q: Sie beschreiben den Alltagswahnsinn
        mit beißendem Spott, so dass man sich
        – bei der Lektüre bequem auf dem Sofa liegend
        – auch über die im Dreck kriechenden,
        frierenden und übermüdeten Gestalten
        schlapp lacht. Aber wie lustig ist der Alltag
        denn, wenn man selbst drinsteckt und mit
        seiner Kondition kämpft, dem harschen
        Umgangston und den demütigenden
      Strafen? 
      A: Guter, treffender Humor bedingt immer
        eine große Portion Leid. Bei Laurel und
        Hardy lachte man auch über den, der die
        Torte abbekam oder in die Grube fiel. Um
        die tägliche Behandlung als Soldat in der
        Ausbildung auszuhalten, hilft natürlich eine
        Portion bitterer Humor, diese Erfahrung
        macht man als Rekrut recht schnell.
         
        Was ich an dieser Stelle auf jeden Fall noch
        klarstellen möchte ist, dass ich mich im
        Buch nicht über den Soldaten im Dreck und
        seinen harten Alltag lustig mache, sondern
        über die Gründe, aus denen er dort liegt –
        und über die „Argumente“, die ihn dorthin 
        gebracht haben. Glauben Sie mir, ich bin
        der erste, der zugibt, darauf hereingefallen
        zu sein, nach dem Motto „Ich war und jung
      und ich brauchte eine Ideologie.“ 
      Q: Von allen von Ihnen geschilderten unsinnigen
        oder unpraktischen Ausrüstungsgegenständen
        ist uns die Brotaufstrichdose
        richtig ans Herz gewachsen. Gibt es sie immer
        noch? Kann man sie irgendwo kaufen? 
      Bei Manufactum...? 
      A: Natürlich gibt es sie noch. Mein Buch ist
        schließlich auf dem Stand der Zeit. Und man
        kann sie auch kaufen. Aber glauben Sie mir,
        wenn Sie die Dose dann hätten, wüssten Sie
        gar nichts damit anzufangen. So ist das mit
        fast allem bei der Bundeswehr, inklusive den
        Gründen, loszuziehen und in irgendeiner
      Wüste auf jemanden loszuballern. 
      Q: Gibt es in Ihrem Leben heute noch
        Relikte aus der Bundeswehrzeit? Falten Sie
        beispielsweise Ihre Hemden exakt auf Kante
        und richten sie nach dem Schrankboden
      aus? 
      A: Schlimmer. Ich bin die Armee nie richtig
        los geworden. Im Kopf. Nach all diesen Jahren
        entdecke ich immer noch eine düstere
        Art Sentimentalität das Thema Kameradschaft
        in der Armee betreffend. Ebenso
        verfolgt mich ein übermäßiges Interesse für
        Waffen, das mir gewissermaßen unheimlich
    ist. Mir geht nicht unbedingt das Herz auf mich so infiltriert  | 
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      vom militärischen Geist zu
        sehen. Ich denke, vielen geht es ähnlich. Ich
        habe die Hintertür entdeckt, meine Gedanken
        und Erinnerungen in meinen Büchern
        zu verarbeiten. Wissen Sie, man lernt eine
        Menge darüber, wie Menschen „funktionieren“,
        wenn man ihr Wertesystem von einem
        Tag auf den anderen komplett austauscht.
        Es bringt die Dämonen in uns hervor. Aber 
        auch Dämonen tun ab und an etwas Gutes
        und Schönes, und das ist doch wirklich
        erstaunlich. 
      Q: Gibt es etwas, was Ihnen positiv in Erinnerung
        geblieben ist aus der Zeit? Haben
        Sie etwas für sich und Ihr Leben gelernt?
        Konnten Sie beispielsweise der körperlichen
        Abhärtung etwas abgewinnen? 
      A: Ich war vor der Bundeswehrzeit sportlicher
        als nach der Ausbildung. Vor lauter
        Langeweile und Depressionen fing ich dort
        an zu rauchen und zu trinken. Ich habe
        nirgendwo sonst so viele kettenrauchende
        Alkoholiker getroffen wie bei der Bundeswehr,
        nicht einmal unter meinen heutigen
        Schriftstellerkollegen! Und meine Freude
        daran, zu zelten oder mit einem schweren
        Rucksack zu wandern, musste ich nach der
        Armeezeit erst wieder ganz neu entwickeln. Richtig schießen gelernt habe ich auch erst
        Jahre nach meinem Dienst. Aber ich trage
        immer noch sehr gerne die olivgrünen TShirts.
        Die sind nämlich nicht kaputtzukriegen, die halten einfach ewig. Im Gegensatz
        zum Soldaten. 
      Q: Wie sinnvoll ist denn die Ausbildung
        beim Bund – gemessen an ihrem Ziel,
        kampftaugliche Krieger für den Verteidigungsfall
        hervorzubringen? Ist die Wehrpflicht
        noch zeitgemäß? 
      A: Welcher Verteidigungsfall soll das denn
        noch sein – der Angriff der Schweiz auf die
        EU ? Ich glaube, den würde die Bundeswehr
        gerade noch abwehren können. 
        Bei der Ausbildung der Masse der Soldaten
        versagt die Bundeswehr – bis auf einen
        kleinen Trupp Soldaten, wie zum Beispiel die
        KSK, einige Fernspäher, Fallschirmjäger. Gut
        ausgebildete Soldaten bei der Bundeswehr
        entstehen fast immer durch deren Eigeninitiative;
        das sind wenige Berufssoldaten, die
        schon von vornherein die körperlichen Voraussetzungen
        und den eisernen Willen haben,
        gute Soldaten zu werden. 
        Und die Wehrpflicht? Ohne Gerechtigkeit bei
        der Auswahl, verfassungswidrig. Verschwendung
        von Energie, Zeit und Steuergeldern.
        Wenn schon eine Armee, dann eine kleine
        Schutztruppe, professionell ausgerüstet und
        ausgebildet. Aber dann haben Sie natürlich
        einen Haufen irrer Überzeugungstäter. Und
        das möchte ich mir gar nicht erst vorstellen.
        Da lasse ich mich lieber nach dem Schweizer
        Angriff von einem Exil-Bundestag aus Liechtenstein
        regieren. 
      Q: Was würden Sie jungen Männern von
        heute raten, bei denen die Musterung
        ansteht? Mitmachen? Kneifen? Zivildienst
        leisten? 
      A: Ich habe nur einen Rat für jeden
        Menschen in jeder beliebigen Entscheidungssituation:
        Lassen Sie sich keinen Mist
        erzählen! Denken Sie selbst, urteilen Sie
        besonnen und vor allem: Folgen Sie nicht
        Parolen und Versprechen, die ihre Hoffnungen
        ausnutzen. Stellen Sie sich, so oft es
        geht, die Frage: Ist dies wirklich das Beste,
        was ich aus meinem Leben als Mensch
        machen kann?! 
      Q: Und womit können Sie denjenigen, die
        sich – mit Ihrem Handbuch bestens vorbereitet
        und gerüstet – für den Wehrdienst
        entscheiden, Mut machen? 
      A: Dass man aus jeder Situation, in die
        man gerät – vor allem eine, für die man sich
        selbst bewusst entscheidet – etwas lernen
        kann. Nur lernt man eben fast überall
        im Leben mehr, als ausgerechnet bei der
        Bundeswehr. 
     
      
    Aus der Vorschau "Whats next" des Heyne Verlags  | 
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